Hans-Furler-Gymnasium Oberkirch

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Von Zeitzeugen lernen

Von Zeitzeugen lernen

Es gibt keine guten oder schlechten Nationen, es gibt nur gute oder schlechte Menschen. Der Holocaust, das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Millionen Menschen mussten ihr Leben in nationalsozialistischen Konzentrationslagern lassen aufgrund ihrer "Andersartigkeit". Andersartig, das waren sowohl Homosexuelle als auch Menschen und ganze Volksgruppen, die dem Ideal des "deutschen Ariers" aufgrund ihrer politischen oder religiösen Einstellung oder einfach aufgrund ihrer Herkunft nicht entsprachen. Dazu gehörten z.B. Roma und Sinti oder auch die Juden, wie der Holocaust-Zeitzeugen Jacek Zieliniewicz. Es reichte aber auch aus einfach polnisches Kind zu sein wie Alodia Witaszek-Napierala, um dem Naziregime zum Opfer zu fallen.

Die Jahrgangsstufe 9 des Hans-Furler-Gymnasiums hatten im Rahmen des Zeitzeugenprojektes des Maximilian-Kolbe-Werks die Gelegenheit diese zwei Menschen mit ihren bewegenden Lebensgeschichten zu treffen. Die Erzählungen der weit angereisten Zeitzeugen wurden untermauert durch Originaldokumente, Bilder und Plakate, was es für die jungen Zuhörer leichter machte, die Geschichte zu verstehen und die Gefühle und Leiden der Opfer zu begreifen. Bewundernswert und beeindruckend empfanden viele Schülerinnen und Schüler die Offenheit der Zeitzeugen und ihren Willen zur Verständigung und Versöhnung.

Der 90-jährige Jacek Zieliniewicz eröffnete seine Erzählung mit den Worten "Es gibt keine guten oder schlechten Nationen, es gibt nur gute oder schlechte Menschen in den Nationen." Dadurch wird deutlich, dass er nicht gekommen war, um das deutsche Volk anzuklagen, sondern es vielmehr als seinen Auftrag ansieht, durch das Berichten seiner Lebensgeschichte zu zeigen, wohin Fremdenhass und Intoleranz einzelner Menschen oder Gruppen führen kann. Dadurch möchte er dazu beitragen, dass sich etwas so Schreckliches wie der Holocaust nie mehr wiederholt. Denn den Glauben an das Gute im Menschen hat er trotz der schrecklichen Zeit, die er als 17-Jähriger erleiden musste, nicht verloren. Damals war er nach einer willkürlichen Verhaftung aufgrund seiner polnisch-jüdischen Herkunft 12 Monate in Auschwitz gewesen, bevor er für drei Monate nach Dautmergen in Württemberg verfrachtet wurde. Erinnerungen an diese Zeit haben sich bei ihm eingebrannt und ihn lange Zeit bis in seine Albträume verfolgt: Geruch des Krematoriums, seine Baracken- und Häftlingsnummer, der genaue Tagesablauf.

Alodia Witaszek-Napieralas Schicksal war ein ganz anderes. Ihr Vater, ein bekannter Wissenschaftler und Arzt in Posen wurde, weil er im polnischen Widerstand aktiv war, von den deutschen Besatzern hingerichtet. Ihre Mutter kam nach Auschwitz und gehörte zu den 20%, die den 800 km langen Todesmarsch ins KZ Ravensbrück überlebten und wurde schließlich im Januar 1945 befreit. Ihr fünf Kinder waren verstreut, doch lebten. Witaszek-Napieralas gehörte zu jenen blonden Kindern, die als “Rassenkinder” bezeichnet wurden. So war sie in gewisser Weise privilegiert und starb nicht in einem der KZ. Sie gelang über den sogenannten Lebensborn zu einer deutschen Adoptivfamilie. Erst 1947 sollte ihre Mutter sie wieder finden. Das “geraubte polnische Kind” kam wieder zurück in seine Familie, sprach jedoch kein Polnisch mehr und wurde nun als “deutsches Schwein” beschimpft. Wie ihr Vater wurde Witaszek-Napieralas Medizinerin und Humanbiologin. Noch heute haben sie und ihre Kinder Kontakt zu ihrer damaligen Adoptivmutter. Die eindrucksvollen Schilderungen haben in den Schülerinnen und Schülern den Willen gestärkt, das Anliegen der Zeitzeugen weiter zu tragen und sich in Zukunft gegen Vorurteile, Diskriminierung und Hass gegenüber "irgendwie anderen" einzusetzen. Die aktuelle Flüchtlingsdebatte wird dazu sicherlich Gelegenheit bieten.

Text: Sandra Schmidt-Tauscher, Kl. 9 /Foto: HFG

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