Theaterkritik

Gelungene Inszenierung

Die Theaterwerkstatt II brachte Dürrenmatts Klassiker "Der Besuch der alten Dame" mit einer Wucht auf die Bühne, die man an einem Schulabend nicht erwartete. Aus dem grauen, hoffnungslosen Güllen entstand vor den Augen des Publikums eine Stadt, die zwischen Verzweiflung, Geldgier und moralischem Absturz taumelt. Claire Zachanassian erschien als glänzende, unheimliche Figur, begleitet von Butler, Gepäck und einem Sarg, der früh ahnen lässt, wohin die Reise geht. Bestechend der Wechsel aus grellem Humor und düsterer Konsequenz. Dazu schrille Auftritte, ein großartig gesungenes "Money, Money, Money“, bedrückende Szenen im Taschenlampenlicht. Eine packende Inszenierung, die zeigte, wie nah Komik und Katastrophe beieinanderliegen. Mehr siehe die Theaterkritik durch Deutschlehrer Dr. Peter Landerl.

11 / 2025

Theaterkritik

Güllen wird Gülden

Tristesse pur. Diesen Eindruck macht die arme, verwahrloste Stadt Güllen am Beginn des Dramas „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt, das die Theaterwerkstatt II unter der Regie von Sabrina Vogt-Ehmann am Hans-Furler-Gymnasium aufgeführt hat. Grau sind die Fassaden (von der Bühnenbild-AG unter der Leitung von Irmela Dübbers stimmig dargestellt), desillusioniert die Bewohner. Nur einige sind damit beschäftigt, der ehemaligen Mitbürgerin Claire Zachanassian, die durch zahlreiche Hochzeiten zur Milliardärin geworden ist, einen gebührenden Empfang zu bereiten. Im schwarzen Kleid und roten Stöckelschuhen, einen Pelz um den Hals und mit jeder Menge Schmuck behängt, reist die exzentrische Milliardärin an. Im Gefolge hat sie einen steifen Butler, zwei aufgeblasene Muskelprotze für die schmutzigen Geschäfte und Koby und Loby, immer im Doppelpack, grellbunt gekleidet.

Auch ein Sarg wird auf die Bühne getragen – man ahnt Schlimmes. Der Bürgermeister und Alfred Ill, ihr ehemaliger Geliebter, legen sich mächtig ins Zeug, um die Milliardärin zu bezirzen – vielleicht springt die eine oder andere Million für die Stadt heraus. Claire scheint tatsächlich bereit zu sein, der Stadt wieder auf die Beine zu helfen, doch die Bewohner haben sich zu früh gefreut. Claire bietet der Stadt und ihren Einwohnern eine Milliarde, wenn sie das Unrecht, das ihr in ihrer Jugend angetan wurde, wiedergutmachen. Sie fordert nichts weniger als den Tod Alfred Ills, der sie einst verleugnet hat.

Mit Abbas Song „Money, Money, Money”, von Angelina Bosnjak wunderbar gesungen, endet der erste Akt und die Tragödie nimmt ihren Lauf. Claire sitzt mit ihrem neuen Ehemann im Scheinwerferspot hoch oben auf einem Tennisschiedsrichterstuhl und blickt gelassen auf Güllen hinunter, wo Alfred Ill langsam aber sicher merkt, dass die ihm ursprünglich zugesagte Solidarität schwindet. Die Güllener wenden sich offen gegen ihn, machen Jagd auf einen imaginären schwarzen Panther und überschulden sich hoffnungslos. Güllen wird Gülden!

Am Ende des zweiten Aktes versucht Ill,aus dem Städtchen zu fliehen. In einer der eindrücklichsten Szenen des Stücks umringen auf dunkler Bühne die Bewohner Ill, beleuchten, wenn sie ihm drohen, mit Taschenlampen ihre gespenstischen Gesichter, und hindern ihn schließlich daran, die Stadt zu verlassen. Im dritten Akt wird Claire endgültig zur Rachegöttin. Im weißen Hochzeitskleid nimmt sie vor einem skurrilen Hintergrund Abschied von ihrer Jugendliebe. Gab es in den ersten beiden Akten noch viele komische Momente (Rosi rast im Tütü über die Bühne!), so schlägt das Stück nun endgültig ins Tragische um. Ill wird von den Güllenern umgebracht, Claire kann ihren bitteren Sieg nicht auskosten und die Güllener haben sich allesamt schuldig gemacht.  

Die äußerst gelungene Aufführung der tollen HFG-Theatertruppe ist komisch, unterhaltsam, sie überrascht den Zuschauer und stimmt ihn nachdenklich. Sie zeigt, dass man Unrecht nicht unter den Teppich kehren kann, alte Wunden irgendwann wieder aufbrechen.

Text: Dr. Peter Landerl

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